2022 Programm
Veranstaltungsprogramm für 2022:
13. Januar - Dr. Volker Heenes (Gotha): Jacopo Stradas „Magnum ac Novum Opus'l Ein numismatisches Corpus des 16. Jahrhunderts
Der Antiquar Jacopo Strada (ca. 1515-1588) schuf Mitte des 16. Jahrhunderts zwei monumentale numismatische Werke: zum einen ein ursprünglich 30-bändiges Corpus von Münzzeichnungen der römischen Kaiser bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts mit über 8.500 Zeichnungen, das „Magnum ac Novum Opus“ (heute in der Forschungsbibliothek Gotha); zum anderen ein 11 -bändiges Werk mit systematischen Münzbeschreibungen, die „A.A.A. Numismatωn Antiquorum Διασκενή“ (heute in der Universitätsbibliothek Wien). Letztere ist ein wichtiges Zeugnis für die Vernetzung der damaligen Numismatiker, da sie jeweils die Sammlung angibt, in der Strada die Münzen gesehen haben will. In dem Projekt am Forschungszentrum Gotha werden beide Werke verglichen, um Münzzeichnungen und Münzbeschreibungen möglichst zu verbinden und zu identifizieren. Die Ergebnisse werden in den Datenbanken „Census of Ancient Works of Art and Architecture known in the Renaissance“ an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und „Translatio Nummorum“ am Kunsthistorischen Institut in Florenz - Max-Planck-Institut zugänglich gemacht.
10. Februar - Dr. Ralf Fischer zu Cramburg (Brüssel/Koblenz): Wem gehört der (Münz-)Schatz?
Ungeklärte oder streitige Eigentumsfragen erweisen sich in der Praxis oft als Hürde für die Bereitschaft zu Fundmeldungen. Die bereits im römischen Recht verfügte „Hadrianische Teilung“ zwischen Entdecker und Grundeigentümer stellt dabei die bekannteste an den Interessen von Privaten orientierte Lösung dar. Ihr treten Modelle entgegen, die in unterschiedlichen Abstufungen staatliche Aneignungsrechte („Schatzregale“) vorsehen, die oft auf den wissenschaftlichen Wert der Funde abstellen. Welche dieser Varianten einerseits gerecht ist und andererseits die Kulturgutsicherung garantiert, ist Gegenstand anhaltender Kontroversen zwischen Archäologen, Numismatikern und Juristen.
10. März - Dr. Susanne Börner (Heidelberg) und Dr. Matthias Ohm (Stuttgart): Nachwuchsförderung und NumiScience. Zur Zusammenarbeit von Universität und Museum in Baden-Württemberg
Universitäre und museale Numismatik arbeiten in Baden-Württemberg eng zusammen. Durch gemeinsame Lehrveranstaltungen werden Nachwuchswissenschaftler epochenübergreifend ausgebildet. Anschließend bearbeiten sie Bestände in Museum und Universität, die dann für die eLearning-Plattform www.NumiScience.de zielgruppenspezifisch aufbereitet werden. NumiScience wurde 2017 durch den Numismatischen Verbund in Baden-Württemberg (NV BW) ins Leben gerufen, um die Fachdisziplin Numismatik nachhaltig zu stärken. Die eLearning-Plattform realisiert interaktive Module aus allen Epochen für verschiedene Nutzungskreise (Schule, Universität usw.).
14. April - Prof Dr. Fleur Kemmers (Frankfurt a. M.) und Prof Dr. Sabine Klein (Bochum): Messen an Münzen. Metallanalysen in der Numismatik
Welche Methoden kommen zum Einsatz, um der Legierung und der Herkunft der für eine Münzprägung verwendeten Metalle auf die Spur zu kommen? Welche Vor- und Nachteile haben diese Methoden? Wie lassen sich die Ergebnisse historisch-numismatisch auswerten? Fleur Kemmers, Numismatikerin an der Goethe-Universität Frankfurt a. M., und Sabine Klein, Mineralogin und Archäometallurgin am Deutschen Bergbaumuseum Bochum, haben in mehreren numismatisch-metallurgischen Projekten zusammengearbeitet und berichten über ihre Erfahrungen, Herausforderungen und Ergebnisse.
12. Mai – Almuth Lohmann Zell (Halle a. d. Saale) und Maya Graber (Geschinen/Schweiz): KUNST IM GRIFF. Einblicke in die Entstehung eines etwas anderen Kunstmedaillenbuches
KUNST IM GRIFF ist ein Werkbuch für Kunstmedaillenfreunde und Menschen, die es werden wollen. Eine Projektgruppe hat seit 2019 an dieser Idee gearbeitet und sich die Fragen gestellt: Wie können wir vermitteln, was Kunstmedaillen sind und können? Wie können wir Menschen neugierig darauf machen? Es sollte ein Buch werden, das nicht nur Medaillensammler:innen einlädt, sondern eine Einladung ist an alle, den Facettenreichtum von Kunstmedaillen bildreich zu entdecken. Nach drei Jahren intensiver Auseinandersetzung liegt KUNST IM GRIFF nun vor: ein Buch, das Lesende mit auf die Reise nimmt, um unsere handgroßen Kleinode zu entdecken. Die Vortragenden, beide Bildhauerinnen und Medailleurinnen aus der halleschen Schule, erzählen im Wechsel über die Entstehung und den Inhalt des Buches, das nur in kollegialer Zusammenarbeit Vieler realisiert werden konnte.
14. Juli – Ulf Dräger (Halle a. d. Saale) und Ulrich Sieblist (Questenberg): Die Herstellungstechnik von Brakteaten und ihren Schrötlingen. Offene Fragen, praktische Versuche, neue Überlegungen
Um 1120 entstanden die ersten dünnen, einseitigen Pfennige, deren Form sich in wenigen Jahrzehnten in Mitteldeutschland und angrenzenden Landschaften ausbreitete. Die Gründe für die Etablierung der Brakteaten sind bis heute umstritten. Diese Meisterwerke der romanischen Kunst. Die bekannten Äußerungen zur Technologie ihrer Herstellung lassen viele Fragen unbeantwortet und können teilweise experimentell nicht bestätigt werden. Im gemeinsamen Vortrag des Kustoden des Landesmünzkabinetts Sachsen-Anhalt im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) und eines Restaurators und Goldschmieds aus dem Unterharz werden diese Fragen aufgeworfen und Lösungen aufgezeigt.
8. September, 18.00 Uhr - Prof Dr. Jan Keupp (Münster): Ein ,turn‘ für die Numismatik - überdreht oder überfällig?
Das Fachgebiet Numismatik gedeiht abseits der Universitäten. In den Seminarsälen und den interdisziplinären Drittmittelverbünden fristet es nurmehr ein Schattendasein. Während die historischen Kulturwissenschaften in rascher Folge paradigmatische Wenden postuliert haben, fand münzkundliches Spezialwissen kaum Eingang in die rezenten Forschungsdiskurse um Raum, Bildlichkeit, Materialität oder Handlungsvollzüge. Diese Distanz liegt indessen schwerlich in der Sache selbst begründet: Wo die gesellschaftliche Wirkmacht des Materiellen im Fokus steht, bietet das Forschungsobjekt Münze mehrfache Anknüpfungspunkte. In seiner physischen Gestalt selbst das Produkt komplexer historischer Konstellationen, prägte die sprichwörtliche Macht des (Münz-)Geldes in hohem Grade das soziale Miteinander der Menschen. Numismatische Metrologie und Metallanalyse, Stempelkunde und Währungsgeografie bieten mit ihrer bewährten Beschreibungssprache eine solide Basis, um selbst kleinste Modifikationen in Gewicht, Gehalt und Gepräge akkurat zu erfassen und ihre oftmals beeindruckenden Effekte innerhalb historischer Akteur-Netzwerke präzise nachzuzeichnen. Der Vortrag möchte das Potential eines numismatischen Beitrags zu aktuellen Forschungstrends skizzieren, zugleich aber die methodische Bedeutung dieser veränderten Perspektiven für eine geschichtswissenschaftlich betriebene Numismatik unterstreichen.
13. Oktober, 18.00 Uhr - Dr. Johannes Eberhardt (Berlin) / Studierende der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle: Nähe und Distanz! Beiträge aus der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle zum Jahresthema des Berliner Medailleurkreises
Distanz zu wahren, Nähe zuzulassen - je nach Kontext kann das eine wie das andere fern- und naheliegen: etwa Nähe zu Menschen, Sehnsuchtsorten, Zuständen oder Distanz zu Krankheit, Krise, Krieg. Trotz oder vielleicht gerade wegen der vielfachen Austauschbarkeit der Begriffe umreißen sie prägende Erfahrungen, gerade auch der jüngsten bruchreichen Zeit. Das ‚Brennglas Medaille' eignet sich besonders gut dazu, auch kritische oder widersprüchliche Situationen und Gefühle einzufangen, zu hinterfragen, zu kommentieren und konzentriert als Kunst für alle Sinne von Hand zu Hand gehen zu lassen. Die Beiträge von neun Studierenden der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle zum Jahresthema des Berliner Medailleurkreises beschäftigen sich in ganz unterschiedlicher Weise mit Gründen und Erlebnissen von Nähe und Distanz im Jahr 2021: Von dekorativen über politisch-gesellschaftskritische bis hin zu rein abstrakten Bildfindungen ist hierbei alles zu erkunden, werden ihre Bezüge zu aktuellen Bedingungen, Symptomen und Konsequenzen von Nähe und Distanz diskutiert. Alle Beiträge werden bis Januar 2023 in der Sonderausstellung des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit der Staatlichen Münzsammlung München unter dem Titel ‚Hand Große Kunst‘ die bereits in der Residenz München zu sehen war, gezeigt.
10. November, 18.00 Uhr - Prof Dr. Johannes Noll (München) / Prof Dr. Bernhard Weisser (Berlin): Das antike Kleinasien und die Robert'sche Methode - eine komplexe Vernetzung im Zeitalter von ‚Numismatik vernetzt'
Es ist kaum zu beschreiben, wieviel die Erforschung des antiken Kleinasiens dem französischen Altertumsforscher Louis Robert (1904-1985) verdankt. Das gilt in besonderem Maße für die Münzen als Geschichtszeugnisse Anatoliens - des Landes, wo die Münze entstanden ist. Erst Robert hat vorbildlich aufgezeigt, was alles an historischen Erkenntnissen aus Münzen zu gewinnen ist, wenn sie mit literarischen, inschriftlichen und archäologischen Zeugnissen verbunden werden. Aus Roberts Angang an die Münzen ist eine neue Methodik der Numismatik entstanden, die die Bedeutung dieser Quellengattung in ungeahnte Höhen erhoben hat. Durch die Robert'sche Methode sind die Anforderungen an alle, die sich mit Münzen beschäftigen, enorm gestiegen. Allerdings sollte gerade in einem Zeitalter der Digitalisierung - die den Zugriff auf Literatur und die Verbindung von Gelehrten miteinander stark vereinfacht hat - diese Herausforderung zu meistern sein.
8. Dezember - Dr. David Wigg-Wolf (Frankfurt a. M.), zusammen mit Aleksander Bursche, Holger Komnick, Kiril Myzgin, Marjanko Pilekic und Tom Wiecek: Repräsentationen der Macht. Münzen als neue Quelle zum Aufstieg der Goten?
Bei der Schlacht von Abritus 251 n. Chr., bei der der römische Kaiser Traianus Decius und sein Sohn Herennius Etruscus den Tod fanden, habe die Goten offenbar den kaiserlichen Schatz mit zahlreichen Goldmünzen erbeutet. Bald darauf beginnt eine Prägung von Imitationen römischer Münzen – teilweise mit den in der Stadt Alexandria Troas erbeuteten Münzstempeln –, die insbesondere auf dem Territorium der heutigen Ukraine gefunden und deshalb mit den Goten in Verbindung gebracht werden. Die zahlreichen Imitationen in Gold und Silber spielten eine wichtige Rolle bei der Selbstdarstellung der germanischen Eliten am Anfang der Spätantike und sind ein wichtiges Zeugnis des Aufstiegs der Goten sowie ihrer Rolle beim Niedergang des römischen Imperiums.